Viel Luft nach oben im öffentlichen Dienst:
Arbeitszeitgestaltung als Attraktivitätsfaktor
Aus der Nummer kommen die Politik und die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nicht raus: Um bei der Personalgewinnung und -bindung zu punkten, müssen sowohl das Einkommen als auch der Umfang und die Flexibilität der Arbeitszeit stimmen. "Wenn aber alles hinter berechtigten Vorstellungen der Beschäftigten zurückbleibt, werden die Probleme bei Stellenbesetzungen bestehen bleiben und sich sogar verschärfen", mahnt dbb Landesbundvorsitzender Kai Tellkamp. Es genüge nämlich schon lange nicht mehr, für einige Beschäftigte Homeoffice anzubieten und herkömmliche Teilzeitanträge - zuweilen zähneknirschend - durchzuwinken. Eine beschäftigtenorientierte Arbeitszeitgestaltung bedeutet wesentlich mehr.
In unseren Tagungen wird deutlich, dass die Arbeitszeit(gestaltung) ein zentrales Thema ist und mit diversen Seminaren tragen wir dazu bei, dass in den Dienststellen ein aktueller Informationsstand über Gestaltungsmöglichkeiten besteht.
Allerdings gehen die Gestaltungsmöglichkeiten nur so weit, wie es die rechtlichen Rahmenbedingungen zulassen. Zunehmend komplett abgeschlagen präsentiert sich der öffentliche Dienst insbesondere in Schleswig-Holstein bei der wöchentlichen Arbeitszeit. Die 41 Stunden bei den Beamten haben geradezu eine abschreckende Wirkung, aber auch im Tarifsektor ist noch viel Luft - in diesem Fall - nach unten.
Besondere Teilzeitformen, die individuelle Lebenslagen und Wünsche berücksichtigen, bleiben viel zu häufig ungenutzt. Dazu gehören "Sabbatmodelle", bei denen über einen bestimmten Zeitraum eine reduzierte Arbeitszeit unterschiedlich aufgeteilt wird, die Bezahlung über den gesamten Zeitraum mit dem entsprechenden Durchschnittswert aber kontinuierlich bleibt. Am Ende des Zeitraumes kann dann eine Phase mit Vollfreistellung oder reduzierter Arbeitszeit liegen.
Auch die Altersteilzeit sollte nicht unterschätzt werden. Sie bietet die Möglichkeit eines gesunden und gleitenden Ausscheidens aus dem aktiven Dienst und dabei einen Wissenstransfer für künftige Stelleninhaber zu organisieren. Altersteilzeit ist für Arbeitnehmer grundsätzlich auf der Grundlage des weiter bestehenden Altersteilzeitgesetzes machbar und für Beamtinnen und Beamte sieht das Landesbeamtengesetz ausdrücklich Altersteilzeitmodelle vor, die im Landesdienst allerdings haushaltsrechtlichen Einschränkungen unterliegen, was beim dbb sh auf deutliche Kritik stößt.
Besonders häufig wird in den Dienststellen über die Möglichkeit oder den Sinn von 4-Tage-Wochen diskutiert. Rein rechtlich ist sie machbar, auch im Beamtenbereich gibt es trotz der 41-Stunden-Woche, die bei einer Aufteilung auf 4 Tage zu einer Überschreitung von 10 Stunden (zuzüglich Pausen) führen würde, pragmatische Gestaltungsmöglichkeiten. Mindestens ebenso entscheidend ist die Frage, ob die Vier-Tage-Woche wirklich gewollt ist. Und das kann nur von den Beschäftigten individuell entschieden werden. Ein Teil der wird gern darauf zurückgreifen und 3 freie Tage haben, ein anderer Teil wird sagen, damit wäre an den Arbeitstagen eine zu hohe Belastung verbunden. Freiwilligkeit wäre also unverzichtbar. Nicht ausgeblendet werden darf natürlich das Interesse der Arbeitgeber, Erreichbarkeiten und Bürgerservice sicherzustellen.
Wir sind gespannt auf weitere Praxiserfahrungen und werden unsere Informationsangebote zum Beispiel über Seminare fortsetzen.