06. Januar 2020

dbb Jahrestagung 2020 in Köln

Wie „tickt“ die Jugend politisch?

Über die Frage, wie das Engagement von jungen Menschen an politischen Prozessen gestärkt werden kann, diskutierte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey bei der dbb Jahrestagung mit Karoline Herrmann (dbb jugend), Martin Horn (Oberbürgermeister Freiburg) und Quang Anh Paasch (Fridays For Future).

Giffey betonte, dass „die Jugend“ keine homogene Gruppe ist: Es gebe nicht nur sehr engagierte jungen Menschen, beispielsweise weil viele schon aufgrund sozialer Schlechterstellung von Teilhabe ausgeschlossen seien.

Positiv sei für sie, dass viele Jugendliche nicht nur an sich, sondern vor allem an ihre Mitmenschen denken. Daran anknüpfend wünschte sie sich, dass sich dieses Engagement nicht nur in Demonstrationen und Protestaktionen erschöpft. „Wer wirklich etwas bewegen will, muss in politische Ämter gehen. Dazu möchte ich alle jungen Menschen ermutigen – dann sinkt auch der Altersdurchschnitt in der Politik."

In der anschließenden Diskussion betonte Giffey, dass politische Prozesse ausreichend Zeit benötigen. Demokraten bräuchten daher Geduld. Als Beispiel nannte sie das Klimapaket, dessen Milliarden nun bereitstehen, das aber erst noch umgesetzt werden muss und eine starke Verwaltung benötigt, die die entsprechenden Projekte entwickelt. Daher sei Politik auch immer auf einen guten öffentlichen Dienst angewiesen.

Karoline Herrmann, Vorsitzende der dbb jugend, sagte: „Junge Menschen müssen merken, dass es was bringt, sich politisch zu engagieren. Sie müssen beteiligt werden, man muss ihnen zuhören. Das heißt nicht, dass wir immer voraussetzen, dass unsere Wünsche erfüllt werden. Wenn der Kommunikationsfluss intakt ist, kann die junge Generation auch akzeptieren, wenn ihre Forderungen und Wünsche nicht zu einhundert Prozent umgesetzt werden.“

Im dbb habe in den letzten Jahren diesbezüglich ein Umdenken stattgefunden. Die dbb jugend sei mittlerweile mit beratender Stimme in der Bundesleitung vertreten. „Wir wirken auch bei den Einkommensrunden für den öffentlichen Dienst mit, um adäquate Forderungen für junge Beschäftigte aufzustellen. Das nehmen wir sehr ernst und  möchten im Rahmen der Generationengerechtigkeit weiter beteiligt werden.“

Der Oberbürgermeister von Freiburg, Martin W.W. Horn, ist jüngster Chef einer deutschen Großstadt. „Bei uns ist die Jugend sehr stark politisiert, Freiburg ist zusammen mit Heidelberg die jüngste Stadt Deutschlands, sehr weltoffen und nachhaltig eingestellt“, sagte er. Diese jungen Menschen wolle er einbinden, und Kommunen seien ein hervorragender Ort für politische Partizipation. „Wieviel Geld in neue Straßen investiert wird, welche neuen Schulen gebaut werden, welche Umweltmaßnahmen umgesetzt werden: All diese Fragen können nur auf kommunaler Ebene gelöst werden.“ Um Menschen aller Altersklassen besser einzubinden, müsse man auch über die eigene Kommunikation nachdenken: „In Freiburg haben wir herausgefunden, dass wir über die herkömmlichen Medien nur noch rund 20 Prozent unserer Bürgerinnen und Bürger erreichen. Deshalb kommunizieren wir mehr und mehr auch über die sozialen Medien.“

Quang anh Paasch, Mitglied der Jugendbewegung Fridays For Future (FFF), erklärte, warum die Klimaschutzbewegung einen so breiten Zuspruch aus den Reihen der jungen Menschen erhält: Zum einen sei man bewusst eine vielfältige und parteipolitisch unabhängige Bewegung, worauf sich viele eher einließen als auf institutionalisierte Parteien oder Organisationen. Zum anderen sei das erklärte Ziel, mit dem Engagement direkte Lenkungswirkung zu erzeugen. „Das ist etwas, was man als junger Mensch insbesondere in Parteien und Politik definitiv kaum oder nur sehr schwer erreicht. Aber eben mit Hunderttausenden, die auf die Straße gehen“, so Paasch. „Wir sind aufgeklärte Demokratinnen und Demokraten, wir leben Demokratie – aber die Parteien haben es nicht geschafft, uns, also die jungen Menschen, mitzunehmen.“ Dieses Phänomen sei rund um den Globus zu beobachten. Paasch stellte aber auch klar: „Wir gehen nicht auf die Straße, weil wir keine Hoffnung haben und nicht an Demokratie und unseren öffentlichen Dienst glauben. Im Gegenteil: Gerade, weil wir wissen, wie stark der Staat sein kann, wenn er will, haben wir Hoffnung und treiben die Dinge an.“

dbb